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Die China-EU-Beziehungen im Jahre 2008
2008-12-22 17:26

von Feng Zhongping (Leiter der Abteilung für Europäische Studien des Chinesischen Instituts für Zeitgenössische Internationale Beziehungen)


Merkmale der China-EU-Beziehungen im Jahre 2008

Um die Merkmale der China-EU-Beziehungen im Jahre 2008 besser zu verstehen, muss man die China-EU-Beziehungen in 2008 mit denen in den vergangenen Jahren sowie mit den Beziehungen Chinas zu den USA, Japan und Russland vergleichen. Dabei finden sich zwei offensichtliche Merkmale: Erstens scheinen sich in diesem Jahr die China-EU-Beziehungen, die sich durch stabile Entwicklung in den letzten Jahren ausgezeichnet hatten, nun in ständigem Auf und Ab zu entwickeln, bei denen es viele Widersprüche und Reibereien gibt, während die Beziehungen Chinas zu den USA, Japan und Russland relativ ruhig aussehen.

Zweitens konzentrierten sich die Widersprüche in den Beziehungen zwischen China und der EU in der Vergangenheit mehr auf den Handel. In diesem Jahr haben sich die Reibereien zwischen den beiden Seiten auf andere Bereiche, wie zum Beispiel die Tibet-Frage oder die Weitergabe der Olympiade-Fackel, ausgeweitet.

Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, dass der Anstieg von Reibereien und Widersprüchen das wichtigste Merkmal der China-EU-Beziehungen im Jahre 2008 ist.

 

Die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen China und der EU bei der Überwindung der Finanzkrise

Diese Probleme haben den Hintergrund, dass die Zusammenarbeit zwischen China und der EU in der Vergangenheit ständig verstärkt worden ist. Dies war ein wichtiger Trend der China-EU-Beziehungen in den letzten Jahren. Die Erweiterung der Zusammenarbeit ist der Steigerung der Rolle Chinas in der internationalen Gemeinschaft sowie der Zunahme der europäischen Nachfrage nach einer Kooperation mit China zu verdanken. Zweitens hat sich die EU in den letzten Jahren darum bemüht, die passive Position in einer Reihe von wichtigen internationalen Fragen zu überwinden, um eine aktive Rolle zu spielen. Deshalb konzentrierten sich China und die EU in der Vergangenheit hauptsächlich auf die Wirtschafts- und Handelskooperation. Jetzt haben sie ihre Zusammenarbeit allmählich auf andere Bereiche, einschließlich auf den Bereich der globalen Zusammenarbeit, ausgedehnt.

Finanzielle Kooperation steht im Einklang mit neuen Veränderungen und dem neuen Entwicklungstrend der chinesisch-europäischen Beziehungen. Ich denke, dass die chinesisch-europäische Zusammenarbeit bei der Überwindung der Finanzkrise mindestens zwei Bedeutungen haben sollte: Erstens sollten China und die EU die Zusammenarbeit verstärken. China und die EU stehen momentan vor einem gemeinsamen Problem. Beide fragen sich, wie das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden kann. Im Vergleich zu China wird Europa mehr durch die Subprime-Lending-Krise in den USA und die Finanzkrise beeinträchtigt, während China mit der Herausforderung der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums konfrontiert ist. Bei der Überwindung der Finanzkrise haben China und die EU ein gemeinsames Interesse, wobei die wichtigste Herausforderung ist, das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten. Auf der einen Seite hat die EU den Markt gerettet und auf der anderen Seite eine Reihe von Plänen für die Stimulierung der Wirtschaft ausgeführt. All dies steht im Einklang mit Chinas Aufgaben Ende 2008 und Anfang 2009. Selbstverständlich existiert hier ein versteckter Handelsprotektionismus. Anfang Dezember veröffentlichte die EU Anti-Dumping-Maßnahmen gegen China. Dies spiegelte wider, dass sich der Handelsprotektionismus in Europa vor dem Hintergrund der Finanzkrise und der Globalisierung erhöht hat. Die Anti-Dumping-Maßnahmen gegen China sind ein typisches Beispiel dafür.

Der Handelsprotektionismus ist in Wirklichkeit ein gemeinsamer Feind Chinas und der EU. Die beiden Seiten sollten Handelskrieg und -protektionismus vermeiden. Daher ist es bedauerlich, dass die Frage des Handelsprotektionismus bei der jüngsten G20-Gipfelkonferenz nicht besprochen worden ist. Im April nächsten Jahres wird die 2. G20-Gipfelkonferenz über die Überwindung der Finanzkrise in Großbritannien stattfinden. Dabei wird die Frage des Handelsprotektionismus wahrscheinlich als das wichtigste Thema diskutiert werden.

Die zweite ist die Förderung der Reform des bestehenden internationalen Finanzsystems. Die Finanzkrise hat der chinesisch-europäischen Zusammenarbeit in dieser Hinsicht Gelegenheit dazu gegeben. Die rapide Entwicklung der Globalisierung und die Entstehung der neuen Wirtschaften nach dem Kalten Krieg, besonders nach dem Ausbruch der Finanzkrise, haben das bestehende internationale Finanzsystem mehr und mehr überholt gemacht. Die Finanzkrise zeigt, dass die G8 tatsächlich zu Ende gegangen ist. So wird ihre Rolle wahrscheinlich durch die der G20 ersetzt werden. Obwohl diese Schlußfolgerung abzuwarten bleibt, hat die G8 jedoch viel Kontroverse hervorgerufen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, die beiden Institute, die nach dem 2. Weltkrieg gegründet wurden, werden von den USA und der EU geführt. Der Weltbank-Präsident ist im Allgemeinen Amerikaner, während der Präsident des IWF Europäer ist. Dies ist die internationale Praxis nach dem 2. Weltkrieg. Von der gegenwärtigen Situation aus gesehen, sind aber weder der IWF noch die Weltbank in der Lage, die Finanzkrise selbständig zu überwinden. Auch die G8 hat keine ausreichende Kraft, die Lage von Grund auf zu verändern.

In der Tat ist die Haltung der EU bei der Förderung der Reform des internationalen Finanzsystems aktiver als die der USA. Die USA wollten die Macht nicht freigeben, geschweige denn geschaffene Vorteile mit anderen teilen. Nur allein durch die EU und die USA, durch die sogenannten "Westlichen", kann das Problem aber sowieso nicht gelöst werden. Der französische Präsident Sarkozy hat die "Theorie der relativen Großmacht" hervorvorgebracht. Danach gebe es in der Welt keine einzige Kraft mehr, die die internationale Lage absolut kontrollieren könne. Dies erkennt in gewissem Maße den relativen Rückgang der westlichen Kräften und die Erhöhung der Rolle der neuen Wirtschaften an. Im Vergleich zu den USA ist die EU mehr willens, die neuen Wirtschaften ins zukünftige internationale Finanzsystem aufzunehmen und ihre Stimme zu erhöhen. In diesem Zusammenhang hat China auch erkannt, dass das bestehende internationale Finanzsystem unangemessen ist und dessen Reform gefördert werden sollte.

In den Bereichen der Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und Förderung der Reform des bestehenden internationalen Finanzsystems haben China und die EU ein gemeinsames Interesse, deshalb sollten sie ihre Zusammenarbeit dahingehend erweitern.

 

Vielversprechende Aussichten der chinesisch-europäischen Kooperation

Aus der Analyse der China-EU-Beziehungen von 30 Jahren seit der Reform und Öffnung Chinas ist klar zu ersehen, dass die Beziehungen zwischen den beiden Seiten eine sehr wichtige Veränderung durchgemacht haben. Sie haben sich von der wichtigsten Wirtschafts- und Handelskooperation allmählich auf andere Bereiche ausgedehnt. Die oben genannte gemeinsame Überwindung der Finanzkrise ist ein neues Feld.

Die chinesisch-europäische Zusammenarbeit konzentriert sich in der Tat mehr auf die internationale Ebene, wie regionale und globale Fragen, die im Brennpunkt allgemeinen Interesses stehen. China und die EU hoffen, dass die Welt eine stabile Welt ist. Chinas Entwicklung braucht auch eine stabile internationale Umgebung. Bei der Auseinandersetzung mit diesen regionalen und globalen "Hot Issues" sollten die beiden Seiten zusammenarbeiten, den Dialog verstärken, das gegenseitigesVerstehen fördern und gegenseitiges Vertrauen verbessern.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von globalen Problemen, die aber nicht ein heikles Thema, sondern Fragen von gemeinsamem Interesse Chinas und der EU sind. Hinsichtlich dieser Fragen, darunter Energie-, Umwelt- und von den Europäern geförderte Klimafrage, sollten sie die Zusammenarbeit forcieren. Ich möchte betonen, dass Europa moderne Technologien bei der Bewältigung dieser Fragen verfügen, wie die Technologie für die Verwendung erneuerbarer Energien und die Umweltschutztechnologie. Auf diesem Gebiet sollten die beiden Seiten Zusammenarbeit verstärken.

Eine Anzahl von ähnlichen globalen Problemen, einschließlich des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus, steht im Einklang sowohl mit den Interessen beider Seiten als auch mit den internationalen Interessen.

In den letzten Jahren ist die Rolle Europas in internationalen Angelegenheiten gestiegen. Die Lösung der Frage des Klimawandels wird beispielsweise von der EU vorangetrieben, und nicht von den USA. In der Vergangenheit gehörten diese Probleme nicht zur höchsten Priorität der Politik. Die EU hat auf diese Probleme verstärkt Bezug genommen, ihr Einfluss auf diesen Bereich ist stärker geworden. Hier gibt es noch Raum für die Zusammenarbeit zwischen China und der EU.

 

Beeinträchtigung der China-EU-Beziehungen durch das Treffen Sarkozys mit dem Dalai-Lama

Das Aufkommen dieser Frage steht im Zusammenhang mit internen Veränderungen und Anpassungen in der China-Politik der EU in den letzten Jahren. Die Position der EU gegenüber China hat sich verändert, wobei die frühere Positionierung dabei nicht völlig geändert worden ist. China wird sowohl als Kooperations- als auch als Wettbewerbspartner betrachtet. Viele Fragen in der EU-Politik gegenüber China sind nicht isoliert, zufällig und auch kein plötzlicher Vorfall. Um diese Fragen zu verstehen, muss man die oben genannten Gründe berücksichtigen.

Zweitens steigt der Faktor der Wertanschauung in der Politik der europäischen Länder gegenüber China. Natürlich ist diese Wertanschauung die des Westens. Vor seinem Amtsantritt sagte der französische Präsident Sarkozy, dass er mit der Chirac-Politik brechen wolle. Er war der Ansicht, dass Chirac zu viel Gewicht auf Wirtschaftsinteresse gelegt und die westliche Wertanschauung nicht ausreichend betont hätte. Nach ihrem Amtsantritt äußerte die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, dass die Schröder-Regierung gegenüber China zu pragmatisch sei. Diese politischen Veränderungen und Anpassungen in der China-Politik sind nicht plötzlich geschehen, sondern haben eine Zeitspanne durchgemacht. Dass Merkel und Sarkozy darauf bestanden haben, den Dalai-Lama zu empfangen, hat die Veränderung ihrer Ansichten über die China-Politik demonstriert.

Die Verantwortung, die 11. China-EU-Gipfelkonferenz zu verschieben, sollte von Sarkozy getragen werden. Welche Auswirkungen hat dies auf die China-EU- Beziehungen gehabt? Ich glaube, dass dies zu Veränderungen in der Atmosphäre der chinesisch-europäischen Zusammenarbeit geführt hat. Die Atmosphäre des konstruktiven Dialogs zwischen China und der EU in der Vergangenheit ist wegen des Verhaltens Sarkozys schlechter geworden. Sein Fehlverhalten hat nicht nur den chinesisch-französischen Beziehungen, sondern auch den China-EU-Beziehungen geschadet.

Jetzt sind die China-EU-Beziehungen komplizierter geworden. Der Inhalt der Zusammenarbeit ist zwar erweitert worden, Meinungsunterschiede und Reibereien haben jedoch zugenommen. Außer der Wertanschauung gehen die Ansichten der beiden Seiten über die Tibet-Frage sowie die Menschenrechte und Demokratie auseinander.

Darüber hinaus können Unterschiede zwischen China und der EU im Handelsbereich nicht ignoriert, sondern müssen ernst behandelt werden. Viele Internet-Nutzer wissen, dass Europa Chinas größter Handelspartner geworden ist, während die 27 europäischen Länder an Stelle der USA und Japan größter Exportmarkt Chinas geworden sind. Die beiden vertreten zwei unterschiedliche Anliegen. Der größte Handelspartner bezieht sich auf den größten Wert des Gesamtvolumens des Handels beider Seiten. Der größte Exportmarkt bedeutet hierbei, dass das Gesamtvolumen der Exporte Chinas nach Europa am größten ist. Die rapide Steigerung des Handelsvolumens hat unvermeidlich zu Handelsreibereien geführt. Daher beschwerten sich die Europäer über das Handelsdefizit. Im chinesischen-europäischen Handel haben die Europäer mehr chinesische Waren gekauft, als Produkte an China verkauft. So verbreitet sich momentan in Europa die sensationelle Nachricht, dass Europas globale Im- und Exporte ausgewogen seien, aber das Handelsdefizit von mehr als 90 Prozent auf den europäisch-chinesischen Handel entfallen sei. In der Tat zeichnet sich die China-EU-Handelsstruktur dadurch aus, dass Chinas Warenexporte nach Europa größer als die der EU nach China sind, aber im Handel mit Dienstleistung die europäischen Exporte nach China größer als die von China nach Europa sind. Nicht zuletzt wird Chinas Dienstleistungsmarkt von den Europäern als unausreichend geöffnet betrachtet.

Die Handelsdefizitsfrage ist in Wirklichkeit nicht so einfach wie die Europäer sagen. In Europa gibt es beispielsweise eine Anzahl von Multis, die die Produktion in China aufgenommen haben. Nachdem halbfertige Produkte in China verarbeitet worden sind, werden sie nach Europa oder in andere Länder exportiert. Schließlich werden alle diese "Beträge" Chinas Konto gutgeschrieben.

Wir müssen darauf hinweisen, dass die europäische Bevölkerung der tatsächliche Nutznießer des chinesisch-europäischen Handels ist. Warum sonst hat China so große Exporte? Dies zeigt doch, dass eine große Nachfrage seitens der Europäer besteht. Von den preiswerten chinesischen Produkten kann die europäische Bevölkerung profitieren. Die Frage des chinesisch-europäischen Handels sollte umfassend und objektiv behandelt werden. Diese Frage sollte unsere Aufmerksamkeit wecken.

 

Perspektiven für die chinesisch-europäischen Beziehungen im Jahre 2009

Meiner Meinung nach sollten China und die EU 2009 ihre Fähigkeit zur Kontrolle über die Krise verstärken und weitere Widersprüche zwischen den beiden Seiten vermeiden, damit diese Fragen keinen negativen Einfluss auf den Hauptstrom der chinesisch-europäischen Zusammenarbeit ausüben können. Bei der Überwindung der Weltfinanzkrise und vor dem Hintergrund der notwendigen Bemühungen um die gemeinsame Lösung von Problemen ist die chinesisch-europäische Zusammenarbeit wichtiger als je zuvor. Beide Seiten brauchen einander.

Früher konzentrierte sich die chinesisch-europäische Zusammenarbeit hauptsächlich auf ein begrenztes Gebiet. Nun sollte eine allumfassende Zusammenarbeit stattfinden. In Übereinstimmung mit diesem Hintergrund darf die Gesamtsituation der China-EU-Beziehungen durch keine kleineren Fragen gestört werden. 2009 sollten China und die EU den "Input in Intelligenz" und den "Input in Fähigkeit" erweitern, um der Krise zu verbeugen und dieser Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig sollten China und die EU die Bereiche der Zusammenarbeit ausweiten, vor allem in Hinsicht auf die internationale Zusammenarbeit zur Verbesserung des gegenseitigen Vertrauens.

2009 werden China und die EU vor schwierigeren und wichtigeren Aufgaben stehen. Zusammenfassend kann man sagen, dass, wenn die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwunden und ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden wird, einem gesunden und konstruktiven Weg Chinas und der EU nichts im Wege stehen sollte.

 

Quelle: XINHUA, 22.12.2008


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